Aus dem Lahntal in den Westerwald
Die stillgelegte Bahntrasse Ulmtalbahn (im Volksmund „Balkan-Express“ genannt), die Mitte der 1970er Jahre stillgelegt wurde, ist die Basis für einen Radweg aus dem Lahntal hinauf in die Berge des hessischen Westerwaldes. Fast 22 Kilometer lang ist die überwiegend asphaltierte Strecke, die die Hessischen Radfernwege R7 (Biskirchen) und R8 (Driedorf-Mademühlen) verbindet. Etwa 11 km des Radwegs verlaufen auf der Trasse, so dass die 500 Höhenmeter zwischen dem Lahntal und dem Endpunkt des Radwegs leicht zu bewältigen sind. Noch vor dem Bahnhof Beilstein wechselt die Strecke auf Wirtschaftswege, und man erreicht in einigem Zickzack nach ca. 7,5 km den Hessischen Radfernweg R8. Auf diesem 310 km langen Radweg kann man entweder Richtung Süden zur Hessischen Bergstraße fahren, oder in nordöstlicher Richtung unter Einbeziehung des Bahntrassenradwegs der ehemaligen Westerwaldquerbahn Herborn und die nordhessische Landschaft des Edertals erreichen.
Der "Balkanexpress" am Rastplatz Holzhausen (Kreis Wetzlar)
Die landschaftlich ausgezeichnete Strecke führt zunächst durch ein Waldgebiet, auf einem nicht asphaltierten Privatweg auf der Bahntrasse, vorbei am Outdoor Zentrum Lahntal und weiter mit konstanter geringer Steigung zur Ulmbachtalsperre. Man durchquert die ehemalige Bergbauregion, in der Ton, Basalt und Eisenerz abgebaut wurden, Informationstafeln am Wegesrand erinnern an diese längst vergangene Zeit. Die alten Bahnhöfe Allendorf, Holzhausen und Beilstein sind erhalten geblieben (Privathäuser), an den Haltepunkten Bissenberg, Ulm und Wallendorf befinden sich heute Rastplätze für Wanderer und Radler. Bei Beilstein verlässt der Radweg die Trasse noch vor dem Endbahnhof und führt in die Höhen des Westerwalds. Die Strecke ist nun nicht mehr so eben wie auf der Trasse, aber insgesamt hält sich die Steigung in Grenzen. Hier bieten sich weite Ausblicke über die Landschaft. Zuletzt taucht der Radweg wieder in ein Waldgbiet ein und erreicht bald den Kreuzungspunkt mit dem R8 nahe Mademühlen (Driedorf), nur wenige Kilometer von der Krombachtalsperre entfernt.
Nach einer längeren Vorgeschichte und Planungen zwischen 1873 und 1915 wurde der erste Abschnitt der Ulmtalbahn zwischen Stockhausen und Allendorf im September 1021 eröffnet. 1924 war der Endpunkt Beilstein erreicht. Die Bahnstrecke diente im wesentlichen dem Güterverkehr der lokalen Industrie (Tonabbau, Basaltsteinbrüche), der Landwirtschaft, aber auch dem Transport der Schüler und Arbeiter. Mit dem Aufkommen des LKW-Verkehrs begann in den 1960er Jahren der Niedergang der Ulmtalbahn. Die Stilllegungen der Gruben führte bis zum Ende der 1970er Jahre zum Rückgang des Güterverkehrs, der planmäßige Personenverkehr endete 1976. Die endgültige Stilllegung der Bahnlinie erfolgte im Oktober 1982 (Personenverkehr) und im Februar 1988 (Güterverkehr). Danach wurde die Strecke abgebaut (1990-91). Der Bau des Ulmtalradweg dauerte von 2010 -2016, der Anschluss an den R8 erfolgte 2017. Der erste Teil auf der Bahntrasse bei Biskirchen ist im Jahr 2020 noch immer ein privater Weg (ca. 2,3 km)
Das Logo des Ulmtalradwegs
Abzweig vom R7 bei Biskirchen
Man folgt den Wegweisern auf einem asphaltierten Weg in nördlicher Richtung am Ortsrand von Biskirchen und dem Lauf des Ulmbaches entlang.
Am Sportplatz wird die Trasse der Ulmtalbahn überquert, es geht leicht bergauf durch die Felder.
Rücksichtsvolle Menschen dürfen den Privatweg nutzen.
Eine angenehme Fahrt auf dem (bei Trockenheit) gut fahrbaren Waldweg auf der stillgelegten Bahntrasse.
Am Rande des Weges findet man Relikte der alten Bahnstrecke.
Vorsicht an den Durchlässen mit den verrosteten Geländern!
Durch felsige Einschnitte.
Die Kilometrierung manchmal noch lesbar.
Am Abzweig zum Outdoor-Zentrum steht eine Infotafel, die folgende Brücke wurde neu gebaut.
Am Rande des Waldgebietes vor Allendorf, an einem Rastplatz, erfährt man einiges über den Eisenerzbergbau. Seit 1439 bis 1913 waren die Gruben in Betrieb, so steht es auf der Infotafel. Vorläufer der Ulmtalbahn (Feldbahnen) transportierten das Erz aus der Grube "Emma" ab zur Lahntalbahn.
Vor dem Bahnhof Allendorf ist die Trasse blockiert. Eine kurze Steigung bringt uns zum ehemaligen Bahnhofsgelände. Das Empfangsgebäude des Bahnhofs wird privat genutzt.
Ein großes Backsteingebäude steht am Gleisanschluss der ehemaligen Tongrube. Vielleicht wurde hier Kohle gelagert oder Strom erzeugt?
Die Infotafel mit den Fotos des Triebwagens verblasst langsam - ebenso wie die Erinnerung an die Ulmtalbahn? (2020)
Weiter aufwärts öffnet sich die Landschaft etwas. Dann folgt noch einmal ein Einschnitt, gesichert durch Stützmauern
Wir nähern uns dem Haltepunkt Ulm. Ein guter Standort für einen Rastplatz, von hier aus hat man einen schönen Ausblick.
Hier hat man sich viel Mühe gegeben, ein schöner Platz für eine Verschnaufpause, oder Schutz bei Unwetter.
Noch ein Stopp am Erwin- Piscator- Denkmal, dann geht es weiter aufwärts auf der erstklassigen Fahrbahn des Radwegs. (Erwin Friedrich Max Piscator, Theaterintendant (geb. 17. Dezember 1893 in Greifenstein-Ulm).
Eine schön restaurierte Brücke überquert den Radweg, das Bahnhofsgelände von Holzhausen kommt in Sicht.
Das imposante Gebäude wurde schön renoviert (privat genutzt).
Gleisreste mit Prellbock sind erhalten, gegenüber eine Nachbildung zur Erinnerung an die Tongruben "Landwehr" und "Saturn" (1864-1974).
Und weiter aufwärts geht die Fahrt, der Blick ins Tal fällt auf den Stausee der Ulmbachtalsperre. Dann überquert man den Einschnitt des Ballersbachs auf einer restaurierten Brücke.
Wieder überspannt eine Brücke den Radweg, und ein weiterer Aussichtpunkt ermöglicht noch einmal einen Blick hinab zur Ulmbachtalsperre.
Bei Bahnkilometer 13,1 stehen noch die Fundamente alter Anlagen, wahrscheinlich die Reste der alten Seilbahn vom Basaltabbau des nahen Steinbruchs.
Auch diese Brücke wurde erneuert, ebenso wie das Wartehäuschen des Haltepunkts Wallendorf. Nur wenig weiter trifft man auf einen Rastplatz mit Infotafel. Hier wurde die Konstruktion einer Seilbahn mit Holzpfeilern nachgebildet.
Hinter der nächsten Brücke erkennt man schon zwischen den Bäumen die Mauern der Burg Beilstein
Kurz danach endet der Ausbau auf der Trasse. Das Ende des Bahntrassenabschnitts kommt abrupt, der Endbahnhof Beilstein ist nur ca. 400 m entfernt. Der Ulmtalradweg aber setzt sich auf Wirtschaftswegen fort.
Obwohl der Bahntrassenabschnitt des Ulmtalradwegs keine spektakulären Bauwerke zu bieten hat (z.B. Viadukte oder Tunnel), gehört er sicher zu den "Premiumradwegen" in Hessen: Er lebt von der Naturlandschaft, die er durchquert. Er ist asphaltiert (bis auf den Anfang bei Biskirchen), weitestgehend frei von Sperren oder Pollern (bis Beilstein), hat genügend Rastplätze und Schutzhütten und nimmt Bezug zur Bahnlinie und der Geschichte der Region (Infotafeln). Leider konnte keiner der Bahnhöfe genutzt werden, z.B. als Gaststätte/Biergarten. Auch Einrichtungen für Kindern und Familien könnten verbessert werden (Spielplatz, Lokomotive). Darüber hinaus wäre ein eindeutiges Ziel am Ende des Bahntrassenabschnitts sinnvoll.
In der Folge werden einige Punkte der Weiterfahrt zum R8 aufgezeigt. Die Strecke ist etwa 7,5 km lang, nicht ganz so bequem wie die Fahrt auf der Bahntrasse, aber dennoch für die meisten Radler gut zu bewältigen. Man folgt den kleinen Schildern mit den grünen Pfeilen, etwas bergauf am Haus des Schützenvereins vorbei.
Schon bald tauchen die ersten Pfostensperren auf, die eigentlich längst entfernt werden sollten. Erst durch den Wald, dann am Waldrand entlang erreicht man ein Plateau.
Der Blick zurück fällt auf den Ort Beilstein und den Steinbruch am gegenübeliegenden Hang. Noch einmal triff man auf eine Infotafel zur Region.
Die Wegweiser des Ulmtalradweg stehen am Rand und verschweigen auch nicht die Gefälle von bis zu 10 %. Durch eine eindrucksvolle Höhenlandschaft führt der asphaltierte Weg Richtung Odersberg.
Weite Wiesenflächen und Wald, dem man leider auch hier die Schäden der Trockenheit ansieht. Unvermeidlich wohl auch die Windkraftanlagen von gigantischem Ausmaß. Von hier aus sind es nur noch 0,6 km zum Fernradweg R8 und ca. 3,5 km nach Mademühlen.
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Seite zuletzt geändert am 05.12.2020