Ein Wanderweg auf einer Radler-Seite? Das mag einigen Lesern seltsam erscheinen. Aber ein Wanderweg auf einer stillgelegten Bahntrasse, die aufgrund der geschützten Natur nicht als Radweg ausgebaut werden konnte und die einen außergewöhnlich spektakulären Verlauf nimmt, könnte ja zur Abwechslung auch einige Hardcore-Radler zum Wandern animieren. Ganz im Westen Spaniens, an der Grenze zu Portugal beginnt der Wanderweg und führt durch ein dünn besiedeltes Gebiet, das noch zum Verwaltungsbezirk der Stadt Salamanca gehört.
Die ehemalige Bahnlinie Línea La Fuente de San Esteban/Boadilla -Barca de Alba, einst 77,5 km lang, führt auf dem Abschnitt La Fregeneda - Barca d'Alva an einem Steilhang hoch über dem Tal des Río Águeda entlang durch das Naturschutzgebiet Parque Natural de las Arribes del Duero. Zwanzig Tunnel und 10 (12) große Metallbrücken mussten auf dem gut 17 km langen Abschnitt gebaut werden, in Anbetracht des äußerst schwierigen Terrains eine wahrhaft pharaonische Aufgabe.
Wer die Wanderung auf dem "Eisenweg" wagen will, muss sich zunächst auf der offiziellen Webseite (https://www.caminodehierro.es/) anmelden, denn das Betreten des geschützen Gebietes ist reglementiert. Aus versicherungstechnischen Gründen ist im Internet ein Ticket/Reservierung zu erwerben (2023 ca. 8 Euro/pP), welches auch den Rücktransport beinhaltet. Genaueres findet man auf der Homepage der Verwaltung des Wanderwegs. Vor Ort ist keine Eintrittskarte erhältlich. Zu beachten ist auch ein Zeitfenster für die Wanderung, der Einlass am Bahnhof von La Fregeneda je nach Jahreszeit von 7:30 Uhr bis 10:00 Uhr, die Rückfahrt von 15:00 Uhr 16:30. (Zeitunterschied zwischen Portugal und Spanien beachten!).
Das klingt alles etwas komplizert, wir hatten aber keine Probleme mit der Reservierung.
Die Grenzbrücke Puente Internacional der ehemaligen Bahnlinie La Fregeneda - Barca d'Alva an der Mündung des Río Águeda in den Duero/Douro. Die Mitte der Brücke ist die Grenze zwischen Spanien und Portugal. Hier ist auch der Zielpunkt der Wanderung auf dem Camino de Hierro.
Die Bahnstrecke von La Fuente de San Esteban nach Barca de Alba, auch Linea Barca de Alba-Salamanca genannt, wurde in den Jahren 1883 bis 1887 gebaut und war bis 1985 in Betrieb. In Portugal setzte sie sich als Linha do Douro (Línea del Duero) fort. Sie war eine wichtige Verbindung der großen Städte Porto und Salamanca. Der Bau der Bahnstrecke war von großen Problemen begleitet. Durch die große Zahl der Bauarbeiter kam es häufiger zu sozialen Problemen, zu Streiks, zum Ausbruch von Seuchen und zu Unfällen mit Todesfolge bei der risikoreichen Arbeit in dem schwierigen Gelände.
Nach der Stilllegung der Bahnlinie auf spanischer Seite 1985 wurden immer wieder Vorschläge für eine touristische Nutzung diskutiert, 2016 investierte man knapp 800 000 € für den heutigen Wanderweg, haupsächlich um die Brücken und Tunnel begehbar und sicher zu machen.
In Portugal ist die Bahnlinie am Douro entlang bis Pocinho in Betrieb, eine Verlängerung bis Barca de Alva soll in Planung sein (2023)
Am ehemaligen Bahnhof von La Fregeneda, etwa 3 km außerhalb des Ortes, beginnt unsere Wanderung. Die Anfahrt mit dem Auto führt über eine staubige, holprige Straße (Naturschutzgebiet).
In einem Güterwagen befindet sich das Büro der Betreuer. Dort erhält man wichtige Infos und die Sicherheitsausrüstung (Lampe und Warnweste). Hier wird auch die Reservierung geprüft und der Personalausweis notiert (Versicherung). In nördlicher Richtung ist die Bahnstrecke zugewachsen, auf einem schmalen Pfad kann man (auf eigenes Risiko) den Gleisen bis zur nächsten Brücke folgen..
Das Viadukt über den Río Froya: Betreten lebensgefährlich: Geländer marode, Schwellen verfault, Eisenplatten lose und verrostet. Wir gehen zurück zum Startbahnhof.
Startpunkt!
Es ist noch früh am Morgen.
Oberhab der Trasse stehen die alten Wasserbehälter für die Dampfloks. Der erste Tunnel (La Carretera ) taucht vor uns auf.
Er ist 1593 m lang! Damit ist er etwa 60 m länger als der längste Bahnradwegetunnel in Deutschland (Küllstedter Tunnel, Thüringen, 1530 m, Kanonenbahn-Radweg ). Man sieht nur den winzigen Lichtpunkt des Portals am anderen Ende, sonst ist es sehr dunkel! Gut dass wir die Lampen haben. Kilometer 63 befindet sich im Tunnel. Die Kilometrierung beginnt in La Fuente de San Esteban-Boadilla (Kilometer Null), Bhf. Fregeneda Kilometer 61,021. Internationale Brücke km 77,565. Genau 16.54 Kilometer ist der Wanderweg lang, (ohne die Umgehung von Tunnel 3, der im Mai 2023 noch zum Schutz der der Fledermäuse gesperrt war).
Der derzeit längste Fahrradtunnel Europas ist übrigens der Túnel de Uitzi im spanischen Baskenland (2630 m) siehe: Via Verde del Plazaola I und II.
Der Tunnel führt unter der Autostraße (Carretera) CL-517 durch, das Südportal ist wie das Nordportal durch ein verschließbares Eisengitter gesichert. Gleich danach überquert man die erste "Brücke" (Pingallo), ein nur 10,25 m kurzes Bauwerk.
Die neue Kilometrierung, mit Standortanzeige. An der Steilwand direkt am Abgrund entlang, im Tal fließt der Río Morgáez.
Die Sonne ist nun schon höher am Himmel. Im Morgenlicht liegt schon der 2. Tunnel vor uns, nur 33 m lang.
Dafür ist der 3. Tunnel (Morgado) wieder länger, ganze 423 m, aber wegen der Fledermäuse in diesem Jahr noch gesperrt. Wir folgen der Umgehungsstrecke (1,3 km). Der Tunnel verläuft in einer langen Kurve, die Bahnstrecke führt nun nach Nordwesten und folgt dem Río Águeda, der den Río Morgáez aufgenommen hat.
Eine felsige Landschaft umgibt uns, tief unten verläuft nun der Río Águeda, in Flussmitte ist die Grenze zu Portugal.
Die Bahnstrecke nach dem Tunnel 3 liegt auch noch tief unter uns.
Immer schön an der Bergseite entlang, der Hang fällt steil hinab und der Pfad ist schmal. Wir erreichen wieder die Bahnstrecke direkt an der großen Brücke.
Die Puente Morgado, gleich nach dem 3. Tunnel, 105 m lang und 21 m über Grund.
Ein schwindelerregendes Bauwerk!
Blick in die Ferne
Tunnel 4, Poyo Rubio, 84 m lang, danach direkt auf das nächste große Viadukt!
Blick zurück, Puente Poyo Rubio, 113 m lang, 22 m über dem Tal.
Drei mächtige Steinpfeiler tragen die Eisenkonstruktion an dem steilen Abhang zum Fluss. Rechts oberhalb auf dem Berg erkennt man erstmals einen merkwürdigen Turm.
Nach längerer Recherche erfuhren wir, dass es ein Wasserturm war (La Torreta), der einst die Gemeinde La Fregeneda mit Wasser aus dem Fluss versorgte. 15 Stockwerke soll das 48 m hohe Bauwerk haben. In einer Höhe von 499 m über dem Meer hätte man sicher einen weiten Rundumblick von der obersten Plattform, aber seit einiger Zeit ist der Zugang gesperrt (Unfallgefahr).
Weiter vor uns auf der Bahntrasse erscheint wieder ein Tunnel, die Nummer 5, La Belleza, 76 m.
Gleich hinter dem Tunnelausgang, etwa bei Kilometer 67, folgt Tunnel Nummer 6, Poyo Valiente, mit 358 m schon etwas länger. Aus der Dunkelheit heraus blickt man direkt auf das gleichnamige Viadukt. 137 m lang und 16 m hoch.
Die eckige Metallgitterkonstruktion trägt die gebogenen Gleise.
Und schon wartet der nächste Tunnel: El Pico ("der Zacken") ist nur 46 m lang.
Auch der achte Tunnel gleich dahinter, Cega Verde, ist 86 m lang. Die Felsen weichen zurück, wir erreichen ein flacheres Gelände.
Hier kreuzt ein vergessener, kaum noch vorhandener Weg die Trasse: Camino de Segaverde. Nur noch ein Warnschild vor dem Zug ist erhalten geblieben, aber der Name deutet auf eine etwas fruchtbarere Landschaft am Bachlauf des Arroyo del Cabrero hin, die vielleicht einst landwirtschaftlich genutzt wurde. Hier existierte auch ein Weg zum bereits beschriebenen Wasserturm La Torreta", der im Blick zurück auf dem Bergrücken in der Ferne zusehen ist.
Vorbei an einer Viehweide und durch einen tiefen Felseinschnitt folgt man der Trasse, die hier eng am Steilhang verläuft und durch ein Geländer gesichert ist. Tief unten im Tal hat sich der Grenzfluss Río Àgueda sein Bett in die Felsen gegraben.
Und wieder verengt sich die Strecke, ein weiterer Tunnel führt durch die bizarre Felsbarriere.
Durch die beiden nächsten kurzen Tunnel, Martín Gago und La Cortina, erreicht man kurz vor Kilometer 70 eine kleine Brücke genannt Cega Viña, nur 5,40 m lang.
Tunnel 11, Cega Viña, 94 m lang. Wände und Gewölbe sind teilweise durch Mauerwerk verstärkt worden.
Zwei große Felsbrocken (Steinschlag) blockieren den Pfad, wir wechseln auf die andere Gleisseite und durchqueren den 12. Tunnel (Los Llanos), 149 m. Unvermittelt steht man vor dem nächsten Viadukt: Puente el Lugar, 41 m über dem Bach (Arroyo Lugar). Die Brücke ist 139 m lang und besteht zunächst aus einer Metallgitterkonstruktion, die auf der anderen Seite in 4 steinerne Bögen übergeht.
Ein etwas mulmiges Gefühl kann einen schon überkommen, wenn man in schwindelnder Höhe auf dem Brettersteg den Abgrund überquert - Wir schreiben das Jahr 2023, und die Brücke hat 1887 den Belastungstest bestanden.
Geschafft! Noch durch das Felsentor, dann blickt man weit hinein in das Seitental.
Tunnel Nummer 13 El Lugar ist 127 m lang, Tunnel 14 La Barcafolgt kurz darauf und ist mit 135 m noch etwas länger. Die Portale ähneln sich sehr.
In diesem Abschnitt haben sich große Kakteen entlang der Bahntrasse ausgebreitet. Dann erreicht man ein verfallenes Streckenhäuschen. Hier kreuzt ein Weg die Trasse, der in östlicher Richtung zu dem nur 3 km entfernten Ort La Fregeneda führt. Etwa 800 m in westlicher Richtung endet der Weg am Ufer des Rio Águeda, der die Grenze zu Portugal markiert.
Nach dem kurzen Tunnel Nr. 15 (Los Poyos, 37 m) überquert eine weitere Metallgitterbrücke in 39 m Höhe den Bach Los Poyos.
Durch einen tiefen Einschnitt mit steilen Felswänden, hier ist mit Steinschlag zu rechnen. Der 16. Tunnel (La Porrera, 330 m) führt uns zur nächsten Brücke.
Das Viadukt Los Riscos ist "nur" 71 m lang, zwei Pfeiler tragen die Gitterkonstruktion. Einer der beiden hölzernen Stege ist gesperrt (2023).
Tunnel 17 (Los Riscos), 200 m und Tunnel 18 (El Gazaro), 72 m lang.
Die Landschaft hat sich plötzlich verändert: Der Fluss scheint in greifbarer Nähe gerückt, die Olivenbäume haben den Rebstöcken ihren Platz überlassen und die steilen Felshänge sind nun in eine Hügellandschaft verwandelt.
Aber noch nicht ganz, noch liegen 2 Tunnel vor uns und Felswände gibt es auch noch. Vor der Puente Las Almas ein verfallenes Haus, wohl einst für den Streckenwärter gebaut.
Das Viadukt ist mit 133 m Länge auch ein sehenswertes Bauwerk: auf drei steinernen Pfeilern überbrückt es in 19 m Höhe den Bach Las Almas.
Der gleichnamige Tunnel (Nr. 19) ist nur 73 m lang. Er führt noch einmal in eine felsige "Schlucht". So langsam spüren wir unsere Beine, das Gehen auf dem steinigen Pfad oder den Bahnschwellen hat seinen Preis.
Tunnel Nummer 20, der letzte unserer Wanderung: El Muelle, "die Mole", 239 m lang. Er führt uns zum Zielpunkt. Vor der Brücke über den Río Águeda kurz vor seiner Mündung in den Duero/Douro steht noch ein Häuschen: La Tasquita de Jesus steht auf den "Azulejos".
Eine 11 m lange Brücke, Puente El Embarcadero, wird überquert, dann beginnt die Puente Internacional zwischen Spanien und Portugal.
Nur 500 m weiter in Portugal steht der alte Bahnhof von Barca d'Alva. Er wartet bisher vergeblich auf die Reaktivierung der Bahnstrecke.
Verlassen wie eine Geisterstadt erscheinen die alten Gebäude des Bahnhofsgeländes.
Graffiti und Schmierereien auf den Wänden und den alten Azulejos, ein trauriges Bild einer vergessenen Epoche.
Lokschuppen, Werkstatt und Bahnsteige im Dornröschenschlaf!
Der Traum der Hochgeschwindigkeit liegt in weiter Ferne.
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