Die Stadt Palencia (ca. 75.000 Einw,) in der Autonomen Region Kastilien und León ist der Ausgangspunkt für einen Radweg auf einer längst stillgelegten Bahnstrecke. Palencia ist bei uns nur wenig bekannt und vom Tourismus weitgehend verschont geblieben. In westlicher Richtung erstreckt sich das Gebiet der Tierra de Campos, einer weiten landwirtschaftlich genutzten Ebene in 700-800 m Höhe über dem Meeresspiegel. Die Region ist dünn besiedelt, und die Bahnstrecke von Palencia nach Villalón de Campos (45 km), eine der Nebenbahnen Tren Secundario de Castilla, diente zusammen mit fünf weiteren Strecken vor allem dem Transport von landwirtschaftlichen Produkten (Getreide).
Ihren Namen erhielt die Eisenbahn wegen ihrer Langsamkeit (Tren Burra ="Eselsbahn"). Die Anfänge dieser Nebenbahnen in den späten 1870er Jahren waren sogenannte Tranvias (vergleichbar mit Straßenbahnen), die von Pferden gezogen wurden.
Der Abschnitt Palencia - Villalón wurde 1912 in Betrieb genommen und 1969 stillgelegt. Der Radweg beginnt am Bassin des Canal de Castilla in Palencia und führt auf der Trasse bis Castromocho, wo er ca. 3,5 km Richtung Villarramiel wieder auf den Kanal trifft. Wegen einer fehlenden Bahnbrücke über den Kanal zu Beginn der Strecke, sind auf der Trasse nur 28 der 30 km befahrbar. Die "Treidelpfade" am Rande des Canal de Castilla ermöglichen eine Variation der Rückfahrt, allerdings auf recht holprigen Wegen.
Am Río Carrión in Palencia
Canal de Castilla
Der Charakter der Vía Verde del Tren Burra ist geprägt sowohl durch die schier endlosen Ebenen, als auch durch den Canal de Castilla, der teils in den Radweg integriert ist. Das ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene Bauwerk ist eine technische Meisterleistung. Er besteht aus drei Armen in ypsilonförmiger Anordnung und hat eine Gesamtlänge von 207 Kilometern und eine Breite von etwa 8 Metern. Zahlreiche Schleusen und Brücken prägen den Verlauf, das Wasser erhält der Kanal aus den Flüssen Río Pisuerga und Río Carrión.
Anfangs diente der Kanal hauptsächlich dem Getreidetransport, aber mit dem Aufkommen der Eisenbahn blieb nur noch die Bewässerung der weiten Felder der Region. Die Eisenbahn verlor später den Kampf gegen das Auto, und die verwaiste Bahntrasse dient heute teilweise als Radweg.
Canal de Castilla bei Palencia
Vía Verde del Tren Burra
Der Radweg beginnt nicht am alten Bahnhof in Palencia, sondern am Bassin Dársena del Canal de Castilla, denn im Verlauf der Bahnstrecke fehlt eine einst vorhandenen Brücke über den Kanal.
Man überquert den Rio Carrión über die Brücke Puente Mayor. Das Becken Dársena del Canal de Castilla liegt direkt gegenüber. Es diente zur Zeit des Gütertransportes unter anderem zur Manövrierung der Kähne und als Zugang zu den Lagerhäusern. Am nordwestlichen Ende des Beckens beginnt der Radweg. (Kilometer Null).
Dársena del Canal de Castilla, Blick Richtung Südwesten.
Blick zurück Richtung Puete Mayor. Dieser Kanalarm ist am Hafenbecken zu Ende.
Der Radweg folgt zunächst dem Nebenarm des Kanals Richtung Südwesten, erreicht schon nach 1,3 km den Hauptarm.
Auf dem rechten "Treidelpfad" verlässt man das Stadtgebiet von Palencia, es geht nun Richtung Nordwesten. Zunächt trifft man auf eine der schier unzähligen Schleusen: 42 plus 7 an der Zahl. Diese beiden sind Nummer 31 und 32, die Esclusas de Viñalta.
Die Esclusas de Viñalta (Schleusen von Viñalta)
Auf dem breiten Radweg geht es am Kanal entlang. Etwa bei Kilometer 4 erreicht man den Kreuzungsbereich der Bahntrasse mit dem Kanal. Der Abschnitt nach Palencia ist nicht erreichbar, nur noch die Brückenlager sind erhalten. Am anderen Ufer führt die Bahntrasse über den Fluss Carrión (hier stehen nur noch die Brückenpfeiler) zum ehemaligen Bahnhof der Ferrocarriles Secundarios de Castilla. Das Gebäude wurde restauriert, es liegt in einem kleinen Park (Los Jardinillos) nahe dem Busbahnhof und gegenüber dem aktiven Bahnhof der RENFE.
Nun beginnt die Fahrt auf der Trasse, es geht leicht bergauf. Wir verlassen den Canal de Castilla, den wir in 25,5 km wieder treffen wollen.
Beim Blick hinab zum Kanal erkennt man in der Ferne die Ruinen der alten Mehlfabrik El Serrón, wo sich der Canal in die zwei Äste teilt. Wir werden dort auf der Rückfahrt vorbei fahren.
Doch zuächst fahren wird durch die weite Hochebene der Campos und folgen im Abstand der N-610. Es beginnen die endlosen Geraden. Ein alter Autoreifen schützt die Radler vor den Resten einer Pfostensperre.
Eine Kornkammer für ganz Spanien!
Zur Abwechslung über eine kleine Brücke, dann immer geradeaus.
Der Bahnhof von Villamartín de Campos taucht vor uns auf. Das Bahnhofsgelände ist wegen Baufälligkeit der Gebäude mit gesperrt, der Radweg verschwenkt auf die kleine Straße.
Die Ruinen des Bahnhofs von Villamartín de Campos: Hier wohnen nur noch die Störche.
Am Ortsrand von Villamartín de Campos folgt der Radweg wieder im Abstand der Nationalstraße. Abseits in den Feldern fallen die runden Bauwerke auf, die offensichtlich aus Lehm gebaut sind.
Es sind sogenannte Palomares, Taubenhäuser, die im 15. Jhd. per Gesetz geschützt waren. Die Taubenhaltung diente einerseits der Ernährung, andererseits waren die Exkremente der Vögel begehrter Dünger. Es wird aber auch vermutet, dass die Taubenhäuser später eher für den Tourismus vor dem Verfall bewahrt wurden.
Noch ein Blick auf die großen Taubenhäuser, dann geht es weiter durch die Ebene, begleitet von teils verfallenen Bewässerungskanälen.
In der flachen Landschaft erhebt sich plötzlich in der Ferne ein Turm. Es ist der Aussichtsturm von Mazariegos, am ehemaligen Bahnhof des Ortes.
Wer vom Radfahren nicht zu erschöpft ist, sollte die Eisentreppen hinaufsteigen, der Ausblick in 22 m über der Ebene entschädigt für die Mühe.
Nach kurzer Rast geht es weiterRichtung Castromocho.
Gut ausgebauter Fahrweg, gesäumt von Büschen und Bäumen.
Der Río Valdeginate, zu dieser Jahreszeit nur ein Rinnsal, wird überquert.
Am Horizont erscheint der Ort Baquerín de Campos (27 Einw.) mit seiner großen Kirche.
Am Rastplatz bei Baquerín haben sich die Störche eingerichtet.
Ein Häuschen auss der Eisenbahnzeit bei km 22, dann folgt wieder eine kerzengerade Strecke durch die offene Landschaft.
Am Wegesrand blüht der Klatschmohn, in der Ferne taucht die Kirchspitze von Castromocho auf.
Immerhin, 230 Einw. und zwei Kirchen hatte der Ort 2018.
Zunächst überquert man den Río Valdeginate.
Viel Wasser ist nicht drin in dem Fluss, aber die große Brücke stammt wohl noch aus der Eisenbahnzeit.
Iglesia de San Esteban
Iglesia Santa María de Colaña
Viel jünger, aber dennoch Ruinen, sind der Bahnhof, die Mehlfabrik (Nuevo Sistema Bühler) und der riesige Silo, der heute von den Störchen erobert ist.
Die alten Backsteingebäude aus der industriellen Epoche dieser Region sind in erbärmlichem Zustand.
Die andere Seite des Silos: Silopainting findet man inzwischen auf einigen der riesigen ehemaligen Kornspeicher in Spanien.
Kilometer 29, nur noch knapp 2 km zum Canal de Castlla. Die Hänge der Bahntrasse sind von Kaninchen bevölkert.
Wieder am Canal. Nach Villarramiel noch 3,5 km, offiziell endet hier die Vía Verde. Wir treten den Heimweg entlang des Canal de Castilla an.
Die Fahrbahn ist recht ruppig, die Landschaft einsam und ruhig, bis auf einige Bewässerungspumpen.
Kilometrierung des Zweiges (Rama Campos): PK 115 und Zusammenfluss mit dem Canal de Cea-Carrión.
Das Haus des Fischers (Casa del Pescador, Ruinas)
Nahe dem Acueducto de Corbejones
Die Schleuse von El Serrón an der alten Mehlfabrik (Ruine, Baden verboten!). Hier teilt sich der Canal (Bifurcación)
ir folgen dem Canal nach Grijota. Die Schlese dort ist ein Erlebnis, Mengen von Wasser scheinen aus allen Richtungen zu sammen zu kommen.
Auf dem linken "Treidelpfad" folgen wir dem Canal Richtung Palencia.
Dann überquert der Canal den Río Valdeginate auf einem Aquäduct: Acueducto de los Cinco Ojos
Schon bald trifft man auf den Abzweig der alten Bahnstrecke an der zerstörten Brücke über den Canal, wo wir zu Beginn abgebogen sind.
Wir beenden die Rundfahrt am Startpunkt, dem Hafenbecken (Dàrsena) in Palencia.
Die Vía Verde (oder Camino Natural) de Tren Burra, ein Bahntrassenradweg durch eine landwirtschaftlich geprägte Hochebene, ohne große Bauwerke wie Viadukte oder Tunnel, hat uns angenehm überrascht. Durch die enge Nachbarschaft mit dem Canal de Castilla, dem grandiosen Meisterwerk der Ingenieure des 18. und 19 Jahrhunderts, sind reichlich Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Wir hatten den Eindruck, nur einen kleinen Teil davon gesehen zu haben.
Aber es bleibt noch Zeit, um die Stadt etwas kennenzulernen, über die Brücke Puente Mayor zum Eisensteg auf die Insel Dos Aguas und zur Kirche San Miguel, nur ein paar Schritte in die Altstadt, oder zum Mercado de Abastos.
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